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Der Doktor

Ein Onkel Doktor fürs Porzellan
Scherben bringen Glück, hoffen Fritz und Heidi Rutschmann. Sie haben in Winterthur die erste Porzellan-Klinik der Schweiz eröffnet

TA Region
Ausgabe 29.12.97

Ein Onkel Doktor fürs Porzellan

Scherben bringen Glück, hoffen Fritz und Heidi Rutschmann. Sie haben in Winterthur die erste Porzellan-Klinik der Schweiz eröffnet.

Von Andreas Mösli

"Wer einen Narren lehret, der flicket Scherben zusammen." Was Jesus Sirach in der Bibel beschreibt, heisst im Volksmund kurz "Scherben flicken" und bedeutet soviel wie eine nutzlose Arbeit verrichten. Für Fritz Rutschmann stimmt das ganz und gar nicht: Scherben flicken ist seit kurzem sein Beruf. Zusammen mit seiner Frau Heidi hat er in Winterthur an der Technikumstrasse die erste Porzellan-Klinik der Schweiz eröffnet.

Ob Omas Meissener Porzellan, ein wertvoller chinesischer Teekrug oder eine nostalgische Leninbüste aus DDR-Zeiten - Rutschmann kittet und brennt alles wieder gebrauchsfertig zusammen. Mit Garantie, wie der gelernte Zahntechniker betont. Das Krankenhaus der speziellen Art kümmert sich aber nicht nur um "Patienten" aus Porzellan: Repariert werden auch Gegenstände aus Glas, Keramik, Steingut, Marmor, Kristall, Bernstein, Fayence, Perlmutt und Alabaster.

Teufel steckt im Detail

Und so funktioniert's: Die Scherben werden mit einer speziellen Glasur wieder zusammengesetzt und in einem ebenso speziellen Ofen drei Tage lang bei etwa 1000 Grad gebrannt. Danach werden mit einer Restaurationsmasse Splitter oder fehlende Teile ersetzt, die Grundierung wird neu gespritzt und, falls nötig, das Dekor wieder originalgetreu gemalt. Zum Abschluss kommt der "Patient" nochmals in den Ofen.

Das klingt vom Prinzip her einfach. Der Teufel steckt aber auch hier in den Details, will heissen in der genauen Temperaturkurve und der Zusammensetzung der Restaurationsmaterialien - Geheimnisse, die seit 50 Jahren von einem Familienbetrieb in Bremen bestens gehütet werden. Auch Fritz Rutschmann kennt sie nicht. Als Lizenznehmer bekommt er das fertige Material angeliefert. Den Brennofen kann der Porzellan-Doktor ebenfalls nicht beeinflussen. Er muss nur auf den richtigen Knopf drücken, der Rest wird von einem computergesteuerten Programm überwacht.

Ruhige Hand und gute Nerven

für seine Arbeit braucht Rutschmann allerdings eine ruhige Hand, gute Nerven und viel Geduld. Denn wenn die Gegenstände im Ofen nicht sorgfältig eingebettet werden und die Scherben beim Brennen nicht genau aufeinander liegen, können auch die raffiniertesten Mixturen und der beste Ofen nicht mehr helfen: Die gebrannten Nahtstellen sind ähnlich wie verheilte Knochenbrüche oder Schweissstellen stabiler als das eigentliche Material.

Von der Porzellan-Klinik erfuhren die Rutschmanns aus den Medien. Nach einem Besuch im Stammhaus in Bremen war ihnen klar: "Das währe was für uns." Gesagt, getan: Sie liessen sich in Deutschland schulen, führten in der Schweiz Marktabklärungen durch, schlossen einen Lizenzvertrag mit der Option für weitere Filialen ab und lösten das alte Geschäft von Fritz Rutschmann auf.

Ermutigende Marktabklärungen

Doch weshalb hängt ein selbständiger Zahntechniker seinen lukrativen Beruf an den Nagel und lässt sich mit 52 Jahren nochmals auf ein berufliches Abenteuer ein? "Was für mich zählt, ist die Lebensqualität - auch bei der Arbeit", sagt Rutschmann. Als Zahntechniker habe er enorm unter Druck gestanden, profitiert hätten jedoch vor allem die Zahnärzte, die zwischen ihm und den Patienten standen. Zudem habe er den Kontakt zur Kundschaft vermisst. "Wenn ich heute gute Arbeit abliefere, sehe ich wenigstens zufriedene Kunden."

Ob die Kundschaft tatsächlich vorhanden ist, wird sich zeigen. Der erste schweizerische Porzellan-Doktor ist davon jedenfalls überzeugt. Die Umfragen in Porzellanläden und bei Antiquitätenhändlern hätten ein gutes Echo ausgelöst. Schliesslich sei auch der Geschäftsverlauf der deutschen Lizenzfilialen ermutigend. Das Repertoire reiche von billigen Comicfiguren, die für ein Vielfaches ihres materiellen Wertes geflickt werden müssen, bis zur 350 000 Dollar teuren Vase aus Übersee. "Wenn wir nur halb soviel Umsatz machen, bin ich schon zufrieden."

Was sich Fritz Rutschmann wohl fürs neue Jahr wünscht? Dass Scherben Glück bringen, möglichst viele Elefanten in Porzellan-Läden ungeschickt herumtrampeln und die Porzellan-Klinik keinen finanziellen Scherbenhaufen verursacht?

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